KlassikAuto Berlin

Geschichten aus einer Oldtimergarage und dem historischen Motorsport



Auf Tour

von M.Pohle am 28. Juli 2012

Der »Bärliner« geht gern auf Reisen.  Beflissen nutzt der stressgeplagte Hauptstädter jede sich ihm bietende Möglichkeit, der Hektik seiner hassgeliebten Stadt zu entrücken. Ob in den Süden, Osten oder Westen, ein guter Grund ist schnell gefunden, Berlin für ein paar Tage Adieu zu sagen. Erst kürzlich war auch ich auf Reisen. Eine Oldtimer-Einkaufstour führte mich in den Norden zu unseren dänischen Nachbarn.
Wenn Sie nun vermuten, dass ich mir ein neuen Rover oder Lancia zugelegt habe, dann liegen Sie leider falsch.

Ooooh, Ooooh! Reisen, zu Zeiten hoher Benzinpreise.

Hin und wieder kommt es vor, dass man mich beim Oldie-Kauf um Rat bittet. 30 Jahre Begeisterung für das rostige Hobby haben mein Auge und mein Wissen geschärft. Ich stehe nicht nur mit Tipps zur Seite, gelegentlich begleite ich den potenziellen Interessenten bei der Besichtigung seines möglichen Kaufobjektes. Vier Augen sehen bekanntlich mehr und Freunden hilft man schließlich gern.
Vor kurzem beschloss ein guter Freund des Hauses seine kleine Oldtimersammlung um ein weiters Schätzchen zu bereichern. Auserkorenes Objekt: Ein Opel Rekord C Caravan.

Das erste ausgewählte Auto führte uns in die Nähe von Hannover. Leider entsprach die Karre bei näherer Betrachtung nicht im geringsten der telefonischen Zustandsbeschreibung, geschweige den schönen Hochglanzbildern, die man vorab auf einer eigens zur Präsentation gestalteten Internetseite betrachten konnte. Nach einem früh morgendlichen Reisestart um sechs und nachmittäglicher Rückkehr blieb nur die Erkenntnis: Außer Spesen, nichts gewesen.
Ob die vielen Spinnennetze zwischen Längsträger, Motor und Hinterachse eine verkaufsförderne Maßnahme darstellen sollten oder gewachsene Patina war, ist uns bis heute unerschlossen geblieben. Nun, wenigstens habe ich an diesem Tag hinzugelernt. Mike Sanders Korossionsschutzfett hilft nicht nur beim Hohlraumschutz, es kann auch für die Lackoberflächenversiegelung einer Motorhaube benutzt werden.
Über die biologische Unruhe in meinen Körper, die mich den Reisetag über beherrschte, lege ich lieber den Mantel des Schweigens. ICH BIN HALT KEIN FRÜHAUFSTEHER.

Vier Wochen später, zweiter Versuch. Diesmal steht das Objekt im dänischen Brande. Der neue Kandidat ist ein besonderes Modell. Es ist auf Commodore-Technik umgerüstet, sozusagen ein Edelkombi. In dieser Variante ist der biedere Familien-Opel niemals von den Montagebändern gerollt.

Schnell, schneller, am schnellsten

Der Trip wird dieses Mal als Wochenendtour ausgelegt. Natürlich – wie sollte es auch anders sein – mit früher Abreise. Diesmal glücklicherweise. Ab Rendsburg fädeln wir uns dank unendlich erscheinender Baustellen auf der Autobahn in einen gefühlten Dauerstau ein. Und der verregnete Sommer macht an diesem Tag leider auch keine Ausnahme. Fortan fahren wir das Reiseziel nur noch im Schritttempo mit Scheibenwischerschnellgang an. Dass unser Reisefahrzeug nicht über nützliche Dinge wie ABS-System, Airbag oder gar modernen Navigations-Schnickschnack verfügt, muss ich wohl nur am Rande erwähnen. Schließlich sind wir Oldtimer-Fahrer. Mit  Straßenplan und Spickzettel ausgerüstet, erreichen wir am frühen Abend endlich unseren Bestimmungsort. Verfranzt haben wir uns nur ein einziges Mal.
Sollte ich vielleicht meinen passenden Co-Piloten für die nächste Klassik-Rallye Hamburg-Berlin gefunden haben?

Im Land der Wikinger erwarten uns ein freundlicher Däne und ein strahlend weißer Opel!
Zwei Stunden stecken wir unsere Köpfe unter die Motorhaube, kriechen unter das Auto, inspizieren Karosseriestrukturen und unterziehen die Schalter der Bordelektrik einem Stresstest. Zwei Probefahrten durch die idyllische, dänische Kleinstadt eingeschlossen. Der Sechszylinder klingt einfach herrlich.  Es sind genügend Erkenntnisse gesammelt, um bei einem abschließenden Abendessen die übliche Pro- und Contra Liste aufzustellen. Und eine Nacht über die gewonnenen Eindrücke zu schlafen, tut ja auch ganz gut. Also verabreden wir uns für den folgenden Tag erneut mit dem geduldigen Verkäufer.
Nach einem langen Reisetag ist nichts entspannender als ein heißes Duschbad. Vorfreudig ziehe mich in der frühen Nacht in den Baderaum des Hostel Zimmer zurück. Leider hatte der Herbergsvater meiner Drei Sterne Unterkunft die Nasszelle als unnötig befunden. Nur mit WC und Handwaschbecken ausgerüstet, empfinde ich die Ausstattung kompromisslos, ergebe mich dem Umstand kommentarlos und der Tag endet pflegelos.
Irgendwie hatte ich mir den Tagesabschluss  anders vorgestellt.

Vier Uhr in der Nacht ist die perfekte Zeit um lebenswichtige Entscheidungen zu treffen. Zu dieser Stunde entschließt sich mein Reisepartner, den Rüsselsheimer Blitz in seinen kleinen Fuhrpark einzureihen. Die  Bekanntgabe seines Entschlusses beim  morgendlichen Frühstück kündigt eine neue Aufgabe für mich an: Ich werde den Edelkombi nach Hause pilotieren. Viel zu dünner Kaffee, dänische Kaugummibrötchen und eine raucherfeindliche Welt sind leider eine schlechte Grundlage für die bevorstehende Bestimmung. Aber nicht nur das: Die biologische Störung, die mich Tags zuvor heim suchte, hatte sich in der Zwischenzeit zu einem schweren Wartungsstau im Verdauungstrakt verschärft. Langsam fing ich an mir Sorgen zu machen. 

Auto gut, »Bärliner« zufrieden!

Der Rest des Sonntags verläuft allerdings störungsfrei. Einladende Straßen und  schönster Sonnenschein verführen mich, »Danish Dynamite« auf Herz und Nieren zu prüfen. Der Sechszylinder gibt sich problemlos und offenbart keine verstecken Schwächen; die Heimfahrt verläuft schrauberlos.
Am frühen Abend kehren zwei erschöpfte, aber zufriedene Reiseveteranen ins heimische Berlin zurück. So macht shoppen Spaß.

Einige Pötte starken Kaffee zur rechten Frühstückszeit später. »Kalle« – so heißt der Opel mittlerweile -, ist in der Zwischenzeit deutscher Bundesbürger geworden. Problemlos erhielt er nebst seiner Einbürgerungsbescheinigung auch gleich den Rentenausweis. 
Meine naturbedingte Uhr  funktioniert wieder einwandfrei. Es geht einfach nichts über einen gewohnten Tagesrhythmus. Zu Hause, zur vertrauten Zeit, ist es eben doch am Schönsten.

Ach ja, die liebe Oldtimerei.

Schreiben Sie einen Kommentar