KlassikAuto Berlin

Geschichten aus einer Oldtimergarage und dem historischen Motorsport



Drei Tage des Donner-
Le Mans Classic 2.0

von M.Pohle am 21. Dezember 2018

Automobilrennen begeistern Menschen seit einundzwanzig Protagonisten 1894 mit ihren Automobilen zum ersten motorisierten Wettstreit von Paris nach Rouen antraten. Viele einst große Rennen sind längst aber nur noch Geschichte, allein einige wenige legendäre Höhepunkte der Vergangenheit haben bis in die Gegenwart überlebt. Events wie die Neuauflage der Mille Miglia, die Silverstone Classics oder der Oldtimer Grand Prix am Nürburgring zelebrieren das Erbe einst glanzvoller Tage und ziehen Fans des historischen Motorsports mehr denn je in ihren Bann.

Unsere französischen Nachbarn veranstalten ein ebenso außergewöhnliches Festival. Alle zwei Jahre öffnet der zweihundert Kilometer südwestlich von Paris liegende legendäre Circuit des 24 Heures seine Tore für ein mitreißendes Erlebnis um die guten alten Zeiten zu feiern: die Le Mans Classics.

 

Es ist vom ersten Moment an Feuer drin. Wer schon am Eröffnungstag bereits in der Früh die Eintrittsbarrieren passiert, spürt sofort: hier wird nicht vorgewärmt. Ganz im Gegensatz zu den vierrädrigen Protagonisten aus den Anfängen des Motorsports, die erst nach einer Warmlaufphase und mit speziellen Zündkerzen für das Rennen auf die Strecke losgelassen werden konnten. Die Le Mans Classics beschleunigen im Rekordtempo und nehmen mit gleicher Geschwindigkeit an drei Tagen und zwei Nächten die Augen und Ohren der Besucher auf eine faszinierende Entdeckungsreise mit.

Die Einladungen an die Sinnesreize sind nahezu unerschöpflich und werden in beeindruckender Intensität wahrgenommen. Ströme von Motorsportfans pilgern durch die Gassen kleiner Zeltstädte, in denen Händler und Dienstleiter ihr vielfältiges Angebot zur Schau stellen. Ob Designermöbel im Look knallbunter Farben legendärer Rennställe, die neue Motorradlederjacke im Retrostyle bis zum alten Michelin-Männchen, das auf dem Dach eines Lastwagens vermutlich schon mehrmals die Welt erkundet hat, in den Auslagen mangelt es an nichts, was das automobilaffine Herz begehrt. Aber auch jene, die nicht auf der Suche nach dem passenden Handwerksbetrieb für die Restaurierung ihres Citroen Ami oder altem Automobilia sind, werden in den vielen Zeltstädten fündig – und sei es nur, dass ein poppig bunter Barbershop einlädt zwischen Amilcar und Porsche Rennmotor den Bart stilecht zu trimmen und zu ölen. In den Villages lässt es sich obendrein in kleinen Cafés bei einem Eis oder Kaffee vorzüglich eine Pause einlegen. Zukünftige Besucher der Le Mans Classic sollen jedoch gewarnt sein: Noch bevor der Café double erkaltet ist, wird die innere Unruhe Besitz über die ermüdeten Füße ergreifen. In unmittelbarer Nähe lockt die infernalische und magische Melodie tausender Pferdestärken pfeilschneller Supersportwagen, die einst ihr ganz persönliches Kapitel in der Geschichte des 24 Stunden Rennen von Le Mans geschrieben haben.

 

 

 

 

 

Die Paddocks – Fahrerlager – gleichen einer Ausstellung im Olymp des Motorsports. Vom Vorkriegs-Kompressor-Bentley über Renault Alpine M63b und Porsche 917 K bis zum Gruppe C-Prototyp paradieren die Helden vergangener Rennschlachten aufgereiht vor den Augen der Motorsportfans. Eindrucksvoller und großformatiger kann eine Retrospektive zur Geschichte des legendären 24- Stunden-Ausdauerrennen von Le Mans aus seinen Anfängen 1923 bis in die Neuzeit des 21.Jahrhunderts nicht sein. Es riecht nach verbranntem Motoröl und man vermag den tatkräftigen Mechanikern bei ihren Vorbereitungen für die Trainingsläufe und die Rennen hautnah über die Schulter schauen.

 

 

 

 

 

Neben den beeindruckenden Preziosen buhlt ein sehr kleiner Akteur um die Gunst der Aufmerksamkeit: die Trillerpfeife. Mit lautem Geträller bahnen sich die Mechaniker auf ihren Servicesquads den Weg durch das Publikum, während Marchals und Polizisten den Rennwagen die Zufahrt zur Boxengasse und Rennstrecke freitrillern. Wer in den Fahrerlagern mit verträumten Augen seine Ohren verschließt, läuft schnell Gefahr, dass die heißen Abgase eines der Rennwagen seine Hosenbeine schwärzt oder dieser gar an seinen Fersen streift. Die Chance ist groß, in solch einem Moment hinter dem Lenkrad eine ehemalige Größe des Motorsports wie Derek Bell, Klaus Ludwig, Jacques Laffite, Jürgen Barth oder Henri Pescarolo zu entdecken, die ein Wiedersehen mit ihren Arbeitsgeräten früherer Tage feiern und gemeinsam in Erinnerungen schwelgen.

Das Schauspiel in der Pays de la Loire schreibt ein neues Kapitel, wenn am Ende des Tages langsam die Sonne untergeht und die berühmte Ligne Droite des Hunaudieres in ihr warmes goldenes Licht taucht. Sobald die Dunkelheit hereinbricht, schalten die Le Mans Classic einen Gang höher, beschleunigen noch einmal.

In den Bars, Cafés und Pavillons der Villages herrscht Hochbetrieb. Der Rock ‘n Roll der Fünfziger, die Beats der Swinging Sixties tönen durch die Gassen, während sich die Tanzböden unter den Rhythmen der Partysüchtigen durchbiegen. Unterdessen treiben beherzte Piloten ihre kostbaren Sportgeräte waghalsig durch die Kurven von Arnage und Mulsanne und treten auf der Geraden vor der Haupttribüne das Gaspedal noch einmal ordentlich durch. Ein Stakkato von Fehlzündungen vor der Dunlop Course bahnt sich seinen Weg durch den Nachthimmel bis zur weit entfernten Kuppel der mächtigen Kathedrale Saint Julien in der Altstadt von Le Mans, während die Boliden ihr Feuer aus armdicken Auspuffrohren in die Nacht speien. Unermüdlich transportieren kultige Citroen 2 CV und VW Bus Shuttles aus den 1960iger Jahren die Erlebnishungrigen zwischen den Villages und Paddocks hin und her. Es fiebert auf dem Circuit de la Sarthe. Erst wenn mit den aufgehenden Sonnenstrahlen die Frühschicht ausgeruhter Schaulustiger die müden Gesichter der Nacht ablöst, scheint sich der Puls der Le Mans Classics zu beruhigen.

Die Anziehungskraft des legendären Rennkurses an der Sarthe und das Konzept vom Veranstalter PeterAuto und dem Automobile Club de l´Quest bilden eine erfolgreiche Kombination, denn auch die nunmehr neunte Auflage und wiederholt als „Motorsportevent des Jahres“ preisgekrönte Veranstaltung mit Ausnahmecharakter seit 2002, verzeichnete mit 135.000 Besuchern wieder einen neuen Zuschauerrekord. Le Mans war immer mehr als nur ein Autorennen, es ist ein Meilenstein im Motorsport. Das dreitägige Festival zelebriert seine Historie, seine Mythen und seine Magie mit außergewöhnlich „beaucoup d´Amour“. Ob Motorsportenthusiast, Rennfahrer oder Aussteller -wenn am späten Sonntagnachmittag die letzte karierte Zielflagge geschwenkt wird, gibt es Sieger ohne Ende.

Nous attendons avec impatience Le Mans Classic 2020 – KlassikAuto Berlin est de retour…

{ 1 Kommentar… lesen Sie unten oder schreiben Sie selbst einen }

Dirk Weiberg Januar 10, 2019 um 14:07

Hallo Micha,
ein sehr schöner Bericht mit fantastischen Bildern. Ich habe mich sehr darüber gefreut zumal wir in der La mia Diva schon eine Vorankündigung veröffentlichen durften. Damit geht natürlich auch die Hoffnung einher, dass sich möglichst viele deinen Artikel anschauen und dir ein positives Feedback geben. Ich freue mich schon auf deinen nächsten interessanten Artikel.

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