KlassikAuto Berlin

Geschichten aus einer Oldtimergarage und dem historischen Motorsport



Reisesouvenirs

von M.Pohle am 2. Januar 2012

»Ooh, Schaaatz, der ist aber süß!« Kommen Ihnen diese Worte bekannt vor? Mir schon. Ich kenne diesen Ausruf. Oft genug habe ich diese Worte auf Oldtimerveranstaltungen aus dem Munde weiblicher Oldie-Bewunderinnen gehört, wenn sie mit verzücktem Gesicht und verdrehten Augen vor einer liebevoll restaurierten Isetta Knutschkugel oder einem Fiat Bambino stehen. Ist das betrachtete Objekt ein klassischer Mini mit Automatikgetriebe, gibt es gar kein Halten mehr.

Reisesouvenirs

Diesmal aber drangen die Worte aus dem Munde meiner Frau in mein Ohr. Dazu noch in bedenklich veränderter Stimmlage. Mir schwante Böses, auch wenn das Corpus delicti wie üblich klein, aber dieses Mal kein automobiles Kulturgut war.
Aber lassen sie mich erklären …

Vor gut drei Jahren besuchte ich England. Auf meinem Programm standen ein Besuch der NEC Motorshow in Birmingham und ein Abstecher beim ortsansässigen Rover-Ersatzteilhändler. Das Auntie-Ersatzteillager musste aufgefüllt werden. Meine Frau begleitete mich. In der Welt weit herumgekommen, war England ein Fleckchen Erde, dass sie auf der großen Weltkugel noch nicht erkundet hatte. Ich mag es, wenn ich Angenehmes mit Praktischem verbinden kann. Was lag also näher, als die Lusttour in die West Midlands gemeinsam zu unternehmen. Bekanntlich halten Gemeinsamkeiten die Liebe frisch. Und ein altes Rover- oder Lanciagetriebe braucht schließlich auch hin und wieder frisches Öl, damit die alten Zahnräder weiter gut ineinander greifen.

An einem »oldtimerfreien« Reisetag führte uns ein Tagesausflug ins benachbarte Wales. Früh am Nachmittag schlenderten wir durch ein kleines, museumsreifes Dorf. Meine bessere Hälfte ist mir auf unserem Spaziergang irgendwann verloren gegangen. Die Fragmente eines Vorkriegsrennwagens hatten meine Aufmerksamkeit erregt. Versteckt in einer halb verfallenen, von Wildrosen umrankten Scheune, regte die rostige Kiste meine Träume an. Sollte mich etwa mein persönlicher Scheunenfund an diesem Tag überraschen?

Lautes Gejaule riss mich in die Wirklichkeit zurück. Einen scharfen Blick später erluchste ich meine holde Gattin, die sich angeregt mit einem alten Mann unterhielt, dessen Erscheinungsbild die Frage aufwarf, ob er der letzte Überlebende der Schlacht bei Trafalgar sei. Ein stattliches Rudel Hundewelpen tobte lautstark um die beiden herum. Und einer von diesen Quälgeistern befand sich auf den Armen meiner Frau. Einen tiefen Seufzer später wurde ich Teil einer Zukunft weisenden Plauderei. Na ja, was soll ich sagen. Sie kennen halt meine Hauszierde nicht. Rollende Augen, der magische Satz: »Ooh, Schaaatz …«,  und die Aussicht vom »Schlechtwettergassigehen« befreit zu sein, zerstreuten meine Bedenken. Nach einer Tasse »Tee um fünf« war der Deal perfekt.

Meine Frau hatte ihren Hund, ich meine Ersatzteile. Zufrieden machten wir uns zwei Tage später  auf die Heimreise. Und bestanden unser erstes Abenteuer mit unserem neuen Familienmitglied. Das hatte sich bei einem Halt an einer Einfahrt in einen Kreisverkehr aus dem offenen Seitenfenster aus dem Staub gemacht, rannte im stärksten britischen Feierabendverkehr über den Asphalt, um schließlich das im Rondell aufgestellte Denkmal einer scheinbar erinnerungswürdigen Persönlichkeit anzupinkeln. Ein Hupkonzert später hatten wir unser Baby wieder eingefangen. Es saß brav unter der Denkmalsinschrift, auf dem in großen, goldenen Letter zu lesen stand: Sir Henry Tudor VII, *28.1.1457-+21.4.1509.
»Schaaatz«, murmelte meine Frau, »Henry ist doch ein schöner Name für unseren Kleinen, oder?«. »Hmm, wenn Du meinst!«, grummelte ich ihr entgegen. Klar, dachte ich mir, Heinrich klinge doch viel, viel besser. Nun ja, aber wenigstens würde der Vierbeiner gut zu meinem alten Rover passen.

Ach ja, die liebe Oldtimerei.

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