KlassikAuto Berlin

Geschichten aus einer Oldtimergarage und dem historischen Motorsport



Röntgenblick, die Kunst der Verdrängung, und ein Autor der Besserung gelobt

von M.Pohle am 12. November 2011

... gerade dann, wenn man es dringend braucht.

Wichtiges versagt seinen Dienst, ...

Haben sie sich schon einmal gefragt, warum technische Gegenstände immer das Zeitliche segnen, wenn der Moment vollkommen unpassend erscheint? Die Waschmaschine quittiert ihren Dienst natürlich während des Hauptwaschganges. Vorsorglich an einem Sonntagvormittag. Zwischen dem Frühstück und den Vorbereitungen für den geplanten Familienausflug. An welchem Tag denn sonst? Gäbe es einen besseren? Schließlich wurde schon im alten Testament der Sonntag zum Ruhetag erkoren. Die Liste unser geliebten Haushaltsgeräte, die das tägliche Leben so angenehm gestalten und im ungünstigsten Augenblick versterben, lässt sich beliebig fortsetzen. Kaffeemaschine, Computer, Fernseher, Lockenstab der Ehefrau, und so weiter. Sie kennen das.

Aber wie sieht es eigentlich in meiner Garage aus?

Lassen sie mich vorweg eines erwähnen. Ich liebe altes Werkzeug. Ein Großteil meines Equipments ist 15 oder mehr Jahre alt. Vom Schutzgasschweißgerät über den Kasten mit dem Motometer Kompressiondruckprüfer bis hin zum Stabschleifer. Ziehe ich die Schublade meines Werkzeugwagens auf, in dem die Stecknüsse lagern, lacht mich noch immer freudestrahlend jener Nusssatz an, mit dem vor über fünfundzwanzig Jahren meine Oldtimerschrauberei begonnen habe. Nur die »Siebzehner« habe ich irgendwann einmal ersetzten müssen. Qualität und artgerechter Umgang zahlt sich eben halt aus. Meistens jedenfalls.
Wenn Sie nun vermuten, dass dies nicht immer der Fall ist, dann haben sie recht.

Zum Einen hat sich auch bei mir über die Jahre hinweg der Schlendrian eingeschlichen, was sich darin bemerkbar machte, dass sich die obligatorische Freitagnachmittagwerkzeugpflege in die Vergessenheit verabschiedete. Zum Anderen steht die Werkstatt den heimischen Tücken der Elektrowelt  in nichts nach. Oder können sie etwa mittels Röntgenblick den Zustand der Kohlebürsten in  ihrer Bohrmaschine beurteilen? Von den Lagern ihrer Flex oder des Stabschleifers ganz zu schweigen. Ich nicht. Folglich ignorierte ich die ersten leisen Geräusche, die der elektrische Schleifhelfer von sich gab. Auch dann noch, als diese eine bedenkliche Lautstärke annahmen. Schließlich hatte das Gerät ja trotz allem beflissen seine ihm zugedachte Arbeit erfolgreich verrichtet. Und wenn er anschließend im Werkzeugwagen verschwunden war, stellte sich das Problem für mich nicht mehr. Verdrängen nennt man diese Eigenschaft der menschlichen Psyche. Mein Umdenken setzte erst ein, als sich das Gerät nur noch unter Zuhilfenahme eines 45° Winkels über Kopf zu seiner Arbeit überreden lies. Doch da war es, wie immer, schon zu spät. Es versteht sich von selbst, dass ich natürlich gerade in diesem Moment mit einer »Terminarbeit« beschäftigt war, die an einem Samstagnachmittag keinen Aufschub mehr duldete. Schließlich musste das letzte  Blech noch schnell eingeschweißt und verputzt werden, bevor der Oldie am Montag zum Lackierer sollte.

Perfekt ist der Weltuntergang, wenn das heißgeliebte Schutzgasschweißgerät gegen seinen Dienst protestiert. Mir leider mitteilt, dass es seinen Drahtvorschub eingestellt hat. Das Gerät ist natürlich neunzehn Jahre alt. Und »bezahlt«. Es hat so viele Kleinarbeiten, als auch Großprojekte hinter sich gebracht, dass ich ihm eigentlich nicht hätte böse sein dürfen, als es an einem Donnerstagnachmittag nicht mehr funktionieren wollte. Aber leider musste ich am darauffolgenden Montag einem Kunden einen fertig geschweißten Fiat 500 präsentieren. Fix.

Ich beschloss, der Angelegenheit mit meinen eingeschränkten Kenntnissen über Elektrotechnik auf den Grund zu gehen. Der Ohnmacht nah, stand  ich am Ende vor einem zerlegten Schweißgerät. Wissend, dass auf der überschaubar anmutenden Platine vermutlich nur ein Kleinbauteil defekt ist, das im Elektronikfachmarkt für weniger als zwei Euro zu haben ist. Aber welches? Die nachbarschaftliche Servicehotline für Elektroprobleme war natürlich   an diesem Tag nicht besetzt. Im Übrigen: Haben sie schon einmal versucht in ihrem Bekanntenkreis einen guten Elektriker aufzutreiben? Vermutlich Fehlanzeige. Zähneknirschend habe ich mich am nächsten Vormittag dazu entschieden, mir in einem großen, renommierten Handwerkerfachmarkt ein neues Gerät zu kaufen. Vom gleichen Hersteller wie das Altgediente. Was man heutzutage so alles an technischer Innovation in diesem Segment erwerben kann, lässt für einen Semiprofi wie mich eigentlich keine Wünsche offen. Von vollelektronischer Schweißsteuerung bis hin zur Wasserkühlung. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt -  außer in meinem Geldbeutel. Leider kann ich mir keinen »Maybach« leisten. Also wurde es ein kleineres Modell. Wenn ich ehrlich bin, war es auch nur ein Kompromiss zu meinem geliebten, in Ehre ergrauten Oldie. Aber der Kampf gegen die Zeit musste einfach gewonnen werden.

Endlich stand das neue Gerät zusammengebaut und  einsatzbereit vor dem Einsatzobjekt. Ich hatte mich schon, wenn auch missgelaunt, damit abgefunden, dass Honorar für den Bambino als Investitionszulage für die Garage abzuschreiben. Hätte mich nicht ein zischendes Geräusch wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. Gasverlust über das Steuerventil im Handgriff lautete meine Diagnose. Irrreparabel dank moderner Modulbauweise. Und das bei einem neuen Schweißgerät! Für mein Altes hätte ich ein passendes Austauschteil im Regal gehabt. Überhaupt fragte ich mich, wie viel Vertrauen der Mensch eigentlich noch in sogenannte Qualitätskontrollen haben darf. Sieht man einmal davon ab, dass meine Gemütslage in jenem Moment der eines feuerspeienden Vulkanes gleichkam. Sie glauben mir nicht? Die Geschichte ist pure Realität.

Am Montag darauf habe ich den kleinen Italiener pünktlich übergeben. Es hat  mich die Hälfte des Inhaltes meiner Schweißgasflasche gekostet. Das neue Schutzgasschweißgerät habe ich am darauffolgenden Tag wieder  in den renommierten Handwerkerfachmarkt zurück gebracht. Und mir mein Geld erstatten lassen. Dank der Hilfe eines befreundeten Elektrikers, der den Sonntag für mich geopfert hatte, um  mein »bewährtes Stück« zu reparieren. Wie vermutet, war nur ein preiswertes Relais defekt. Es hatte seine Schaltaufgabe eingestellt. Und auch die Lager im Stabschleifer sind wieder neu. Zehn Euro und eine Stunde Zeit sorgten dafür, dass er wieder einwandfrei für die nächsten zehn Jahre seine Arbeit verrichten kann. Jetzt wissen sie warum ich altes Werkzeug schätze. Das lässt sich reparieren.

Der Kompressor macht in letzter Zeit Geräusche. Ein neuer Keilriemen liegt aber schon zur Montage bereit.

Ach ja, die liebe Oldtimerei.

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st.-foto Januar 20, 2012 um 14:02

Ja, einer schreibt´s mal auf: Was allen Schraubern bereits widerfahren ist und auf denn so bewährtes Werkzeug schwören lässt. Das Erste aus der guten alten Zeit noch in so guter Qualität, dass man diese eigentlich gar nicht bemerkt(“man ärgert sich nur über das schlechte Gerät”). Alles paßt, und der Nußkasten ist noch aus Blech. “Junge, kauf was Ordentliches”, sagte Großvater immer. Damals hatten die Tischler (sorry für den Quervergleich) noch ihr eigenes Werkzeug mitzubringen (und bekamen Werkzeuggeld dafür), hegten und pflegten es (gilt dann wieder für alle). Und man wußte, wo der 13er Schlüssel war, und kaufte nicht mal eben im Baumarkt einen neuen.
Hier paßt alles: Liebe zur Arbeit, Fachkenntnisse im Detail, ordentliche Austattung und das Gefühl für den Charakter der Automobile

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