KlassikAuto Berlin

Geschichten aus einer Oldtimergarage und dem historischen Motorsport



Daily Driver, Flank Drive und Triple Bogey

von M.Pohle am 12. April 2013

Früher kaufte ich samstagnachmittags mit meiner Hauszierde ein. Zwischen kulinarischer Wochenendverpflegung, neuer Jeans und Besuch im Schuhgeschäft lud ein Straßencafe zum genüsslichen Pausieren ein.

Lifestyle kontra Lebensart

Heute shoppen wir. Ein Coffee to go hat den Platz der gemütlichen Pause eingenommen. Das praktisch transportable Heißgetränk im Pappbecher verführt – vor allem meine Frau – den Sale des ein oder anderen Schuhladen ohne Unterbrechung mehr in der Shopping Mall anzusteuern. Aber nicht nur mein Feierabend ist vom modernen »denglisch« betroffen; die Verenglischung der deutschen Sprache hat auch vor meiner Werkstatt nicht Halt gemacht. Meine Schraubenschlüssel verfügen jetzt über Flank Drive, die freundlich telefonische Nachfrage beim Kunden nach einer Reparatur trägt nun die bedeutungsvolle Bezeichnung After Sales Service.

Ich bin ein Liebhaber des anglophilen Garagengoldes. Trotzdem wünschte ich mir bei der Fülle englischer Fremdwörter eines Morgens in der Headline einer renommierten Boulevardzeitung zu lesen:  »Bundesregierung plant Sprachpolizei.«
Perfekt wird das anglizistische Sprachchaos, wenn ein leitender Bankbangestellter mit englischer Nobelkarosse an die Tore meiner Werkstatt klopft.
Aber lesen sie selbst…

Herr Schmidt -  Filialleiter einer Bank  in meiner Strasse  -  hat sich seinen Jugendtraum erfüllt: Ein edler Bentley S3 aus dem Jahr 1962 schmückt nun die Garage seines Bauernhofes aus der Jahrhundertwende. Ganz und gar nicht klassisch war sein Wunsch, den britischen Luxusliner mit einer modernen Multimedia-Anlage auszustatten. Zwar sei sein Bentley kein Daily Driver, dennoch wolle er als Banker auf seinen Fahrten ins Office auf einem großen Display von seinem bevorzugten Nachrichtensender stets aktuell mit Breaking News, High and Low sowie Shareholder Value und Ebita der im Dax notierten Börsenunternehmen informiert werden. Es folgte ein  kontroverses Brainstorming, das moderne Informationstechnik, wurzelhölzerne Patina und die Charta von Turin zum Gegenstand hatte. Mit geballter Faust im Blaumann, die durchaus mit dem druckvollen Pressing der vordersten Viererabwehrkette meines geliebten Fußballvereines konkurrieren konnte, gab ich mich schließlich geschlagen.  Zähneknirschend machte ich mich an die Arbeit. Vielleicht auch, weil ein Schnupperkurs auf dem Golfplatz als zusätzliche Belohnung lockte. Und ein wenig Work-Life-Balance tat mir tatsächlich gut.

Ein getuntes Edelholz-Panel darauf, lasen meine Augen in feinstes Messing graviert: »Hole in One, 21.06.2001, Rüdiger Schmidt«
»Mit einem Schlag ins Loch!«, strunzte  mein Gastgeber, während er das Mahnmal seines sportlichen Triumphes auf dem Weg zum Tee passierte. Schmidt drosch den kleinen Ball mit ordentlichem Schwung in die Luft. »Na Pohle, auch mal versuchen? « lockte er schnippisch  und fuchtelte gefährlich mit einem Driver vor meiner Nase herum. Zwei Ladies und ein Divot beendeten an diesem Tag recht schnell meine Golfkarriere – fortan fungierte ich als Caddy.
Nach diesem unrühmlichen Golferdebüt eilten wir zur Landezone von Schmidts Ball. Auf unserem Weg philosophierte der ambinionierte Sportsman derweil, er versuche das Dog Leg des Fairway mit einer riskanten Tiger Line zu meistern. An diesem Tag hatte das Glück Golfgott Rüdiger verlassen, denn das kleine Spielgerät hatte sich in einen Sandbunker eingegraben. Etwas mürrisch beendete er mit einem Triple Bogey das erste Loch. Einige Fairways, GreensFades und Draws, Chips, Pittching Wedges, Lakeballs, Putts und Birdies folgend, endete ein schöner Nachmittag in freier Natur am 19. Loch bei einem kühlen Blonden. Zugegeben, die vielen englischsprachigen Begriffe hatten mich aber schon ein wenig verwirrt.

Die warme Nachmittagssonne lud auf dem Heimweg zum gemütlichen Cruisen ein. So steuerte ich meine Auntie am Lancia Flagship- Store vorbei über den Kurfürstendamm. Der Showroom ist seit dem Abgesang der traditionsreichen Automobilmarke verwaist. Nur Brigit Bardot räkelt sich noch auf einem großen Poster auf dem Kotflügel einer Flaminia und erinnert an die guten alten Zeiten. An die guten alten Zeiten? Vielleicht war der Rasen nicht grüner, der Himmel nicht blauer und der Schnee nicht weißer: Aber die deutsche Sprache war weniger von Anglizismen durchsetzt.
Ich will die deutsche Sprache pflegen, auch hier auf dieser Webseite. Ich bin eben alte Schule.

Ach ja, die liebe Oldtimerei.

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st.-foto April 30, 2013 um 17:45

Jedem Tierchen sein Pläsierchen: wenn’s denn “dem Herrn im feinen Business Suit seine Umgangssprache” ist, versteht er sich ja unter Seinesgleichen.
Kompliziert wird es dann bei fachübergreifenden Gesprächen zu unbekannteren Themen. Man stellt dann schnell fest, wer ein “schwatzender Erzähler” ist oder wer sich wenigstens bemüht, das Fachvokabular aufzunehmen.
Und: ein 17er Maul mit klassischem “grip” (nun verfalle ich der Seuche auch!) mag ich denn auch mehr als die klappernden “Flank drive” Exemplare. Aber, jedem Tierchen …

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