KlassikAuto Berlin

Geschichten aus einer Oldtimergarage und dem historischen Motorsport



Über den Wolken ist die Freiheit grenzenlos

von M.Pohle am 14. Februar 2013

Freitag ist ein schöner Tag für mich! Zwei schraubenschlüsselfreie Tage locken mit Ruhe und Gemütlichkeit. Der letzte Werktag der Woche ist perfekt, wenn am Sonntag eine Tour mit dem Oldie winkt. Oder es mir  in den letzten Minuten meiner Schaffenszeit noch gelingt, bei Ebay ein Ersatzteil zu ersteigern. Herz, was willst du mehr.

Zugegeben, der Abschluss einer Arbeitswoche verspricht nicht immer solch gute Aussichten.
Aber die Geschichte begann vielversprechend an einem Freitag. Und das war so:

Umschaltwerk: Es werde Licht...

Ein Angebot bei Ebay auf den italienischen Seiten des Auktionshauses weckte an diesem Morgen mehr als die übliche Tasse wohl duftenden, heißen  Kaffees meine Lebensgeister. Dort bot ein professioneller Ersatzteilhändler ein originales, neues Lichtumschaltrelais für eine Lancia Flavia an. Dies auch noch zu einem außerordentlich günstigen Preis. Blitzschnell war ich hellwach. Schließlich leuchten in meinem Flavia Coupe in Vertretung der originalen Werksausstattung  vier moderne, silbern glänzende Arbeitsstromrelais mit einer stattlichen Anzahl bunter Kabelstecker um die Wette. Soviel elektrotechnischer Zeitgeist des 21. Jahrhunderts stimmte mich nicht glücklich und führte zu einem Eintrag in das Restaurationslastenheft: WICHTIG, Originalität wiederherstellen!

Mein Jagdinstinkt war geweckt. Während der Rest vom Frühstücks-Croissant im Mundwinkel steckte, flogen meine Finger über die Computertastatur um eine erste E-Mail ins Land von Pasta und Pizza zu senden.

»Schatz, hast du etwas bei Zalando bestellt?«, rief ich fragend in die Wohnung, als am darauffolgenden Dienstag der Paketzusteller an der Tür schellte. »Nööö!«, tönte meine bessere Hälfte unschuldig aus dem Wohnzimmer. Zu meiner Freude sorgte ein Blick auf den Paketaufkleber schnell für Aufklärung. Absender: Elettroriricambi Auto d`Epoca – Udine/ITALIA. So fix hatte ich nicht mit der Lieferung meiner neuen elektromechanischen Stromfabrik  gerechnet. Nur leider klapperte es verdächtig im Paket.

Unendliche Weiten im Paket

Zwei scharfe Messerschnitte später bestätigte sich mein anfänglich gehegter Verdacht. Die Elektronenschmiede hatte die Alpenüberquerung nicht schadlos überstanden. Von Schaumstoff, Luftpolsterfolie und anderen Transportschutzmaterialien befreit, aber durch zwei Bögen Zeitungspapier  mit einem Alibi geschützt, hatte das Lichtrelais auf seiner Reise ausgiebig die Weite seiner Transportbox erforscht. Auf seiner Erkundungstour zersplitterte  das schöne Bakelitgehäuse in zwanzig Einzelteile. Einen lauten, deftigen Fluch später, stand meine Hauszierde in der Bürotür. »Stimmt was nicht?«, fragte sie mit fürsorglicher Miene. Mein frustrotgefärbter Teint gab ihr wohl ausreichend Antwort. Fern dem ehelichen Gelöbnis – in guten, wie in schlechten Zeiten –  zog  sie es sicherheitshalber vor, fluchtartig die Wohnung zu verlassen. »Schaaatz, ich bin dann mal zum Einkaufen weg«, rief sie, den äußern Wohnungstürgriff schon in der Hand.

Nachdem sich die Eruption meines Gemütszustandes wieder beruhigt hatte, entschied ich mich trotz Garantieanspruch und Rücksendemöglichkeit die Angelegenheit persönlich in die Hand zu nehmen. Wer Schweißen kann, der kann auch Kleben! OKAY, zwischen dem Einschweißen eines Seitenteiles und dem Zusammenkleben meines zerstörten Bakelitgehäuses lagen allein schon in der Größe der Objekte deutliche Unterschiede. Dennoch: Voller Vertrauen in die Feinmotorik meiner Hände stattete ich dem nächstgelegenen Heimwerkermarkt einen Besuch ab. Und zog mich am Wochenende mit Modellbaukleber, Feinspachtel und Minispritzpistole versorgt in mein Arbeitszimmer zurück.

Einfach herrlich, wie entspannend Modellbau sein kann. Als ich so die Bruchstücke der Relaisbehausung zusammenpuzzelte, verlor  ich mich in meiner Vergangenheit. Und fand mich zwei Jahre zuvor auf dem Rollfeld des Berliner Flughafens wieder. Während ich meinen Flieger nach Stuttgart bestieg, beobachtete ich die Beladung der nebenan geparkten Maschine. Kraftvoll packte dort ein Mann vom Bodenpersonal einen leuchtend roten Koffer vom Gepäckwagen und schleuderte diesen in hohem Bogen in die Ladeöffnung des Fliegers. Mit ordentlichem Getöse landete das gute Stück äusserst unsanft  auf dem Boden des Frachtraumes. »Ooh, Ooh, wenn das ein Samsonite Gold-Edition Koffer ist und dies der Eigentümer sehen könnte «, sinnierte ich kopfschüttelnd. Wie viele Höhenflüge hatte wohl meine wertvolle Fracht auf seiner Reise von Udine nach Berlin erlebt? Pünktlich zum sonntäglichen Tatort hatte ich schließlich alle Spuren des Transportdesasters beseitigt.

Hätten Sie den Fehler erkannt?

Um die ordnungsgemäße Funktion meiner elektrischen Versorgungs- und Umschaltzentrale zu prüfen, baute ich die wieder original erstellte Relaisplatte in der folgenden Woche in meine Flavia ein. Allerdings blieben die Abblendscheinwerfer dunkel und der Impuls zum Umschalten auf Fernlicht versagte seinen Dienst – kein Volt Spannung verlies das gewissenhaft rekonstruierte Relaisgehäuse. James Watt und Georg Simon Ohm hatten  scheinbar gemeinsam zu einer Verschwörung gegen mich aufgerufen. Anders konnte  ich mir den mangelnden Elektronenfluss an den Relaiskontakten und Wicklungsspulen meines Lichtumschaltrelais zunächst nicht erklären. Was folgte, waren ein paar deftige Schimpftiraden, einige hastig inhalierte Zigaretten und ein Rundflug des Schraubenziehers durch die Werkstatt. Aber Spannungsprüfer, detektivischer Spürsinn und ein scharfer Blick entlarvten schließlich eine verbogene Kontaktzunge an der Magnetspule und eine verformte Spannfeder am Hammerwerk des Umschaltrelais als Schuldige. Endlich erleuchteten die Scheinwerfer die Werkstatt.

Jedes Objekt der Begierde hat seinen Preis. Das schön anzuschauende Lichtumschaltrelais von C.E.A.M – Torino forderte über die finanzielle Gebühr eine ordentliche Portion Leidensfähigkeit und Nervenstärke. Es fiel nicht immer leicht einen kühlen Kopf zu bewahren, aber in den hitzigen Momenten nahm ich mir meine bessere Hälfte zum Vorbild. Stets begleicht sie ihre neueste Schuherungenschaft obendrein mit einer schmerzenden Blase am Fuss, unbeirrt kontert sie meine mitfühlenden Worte salopp mit der Bemerkung: »Macht nischt, Schatz, wenn´s vorbei is, is allet wieder jut «

Ach ja, die liebe Oldtimerei

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st.-foto März 24, 2013 um 16:32

Es sind genau diese kleinen Geschehnisse, die im Leben mit der Oldtimerei stets ins Hintertreffen geraten, sind doch Leistungen in Blech und Lack oder Mechanik und Antrieb direkt zu sehen bzw. durch Bewegen des guten Stückes vorzuführen.
Die Spannung beim Bestellen und Empfang der Sendung, die Überraschung und Spannung beim Auspacken, die Wut, Enttäuschung und das “jetzt erst Recht” bei der Lösung und dann das erlösende “geht doch” bei dem elektrischen Bauteil – das keiner für voll nimmt.
Das so aufzuschreiben ist eine Kunst, die dem handwerklich-mechanischen Gespür bei der Restaurierung gleichwertig gegenüber steht. Hier spielen beide Künste Pingpong.

Ich freu mich auf weitere Kurzgeschichten.

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