London, West Cromwell Road. Brian Marelli – Urgestein im Hause Bristol und Leiter der einzigen offiziellen Werkstatt der exklusiven britischen Automobilmanufaktur – schiebt zwei kleine, unscheinbare schwarze Plättchen über seinen Schreibtisch. Freundlich lächelt er für ein Erinnerungsfoto, schreibt die Rechnung und bemerkt: »Das sind meine Letzten!«
Im fernen Berlin werden die beiden kleinen Etiketten bereits sehnsüchtig erwartet. Schließlich sind die mit R und C gravierten Hinweisschilder begehrte Schmuckstücke – sie werden das edle, wurzelhölzerne Instrumenten- Panel eines Bristol 408 zieren. Jahrelang fehlten die beiden Täfelchen, nun endlich wird das Interieur des luxuriösen Briten wieder makellos erscheinen.
Ich gebe zu, es hat ein wenig länger gedauert. Die ein oder andere Oldtimer- Preziose hat in den Wintermonaten mehr Zeit eingefordert, als anfänglich geplant. So musste der zweite Werkstatttermin für den exklusiven Insulaner in den Sommer verschoben werden. Für mich ein Glücksfall! Eine Probefahrt in einem Bristol 408 bereitet bei stahlblauem Himmel an einem warmen Sommertag im August einfach mehr Spaß, als an einem verregneten Nachmittag im April.
Was am und um den britischen Gentleman-Sportler alles geschah, erfahren Sie hier…
250 Pferdestärken des luxuriösen Kraftpaketes verlangen nach einer adäquaten Verzögerung. Beim Bristol war dies aber leider nicht mehr ausreichend möglich, denn der automobile Exzentriker kränkelte an einigen Komponenten seiner Bremsanlage. So bahnte sich die Bremsflüssigkeit an einem hinteren Druckzylinder über eine undichte Manschette ihren Weg Richtung Straßenasphalt, und die Bremsklötzer der modifizierten Vierkolbenbremszangen an der Vorderachse hatten ihre Verschleißgrenze erreicht. Aber auch die Kontrolleinrichtung für den Bremsflüssigkeitsstand wachte nicht mehr einwandfrei; Bremsflüssigkeit trunken hatte sich der schwere Korkschwimmer nach fast fünfzig Jahren auf den Boden des Vorratsbehälters niedergelegt.
Die Ersatzteilversorgung für einen 408 ist schwierig, das Preisniveau der Exklusivität des Engländers entsprechend. Zudem bietet der außergewöhnliche Automobilhersteller einige Verschleißteile nur als Baugruppe an – so im Fall des schadhaften hinteren Druckzylinders.
Stolze 900 Pfund für eine komplette rechte Hinterradbremsanlage erforderten detektivischen Spürsinn. Auf den Spuren von Sherlock Holmes und Doktor Watson wandelnd, wurde ich schließlich fündig. Nun verrichtet ein geeigneter Druckzylinder aus dem Jaguar-Ersatzteilprogramm seine Arbeit in der Bremsanlage des Bristol 408.
Mit dem Geschick der berühmten Meisterdetektive fiel es mir schließlich auch nicht schwer, das Problem des nicht mehr lieferbaren Schwimmers zu lösen: Der Korken einer guten Flasche Rotwein informiert jetzt den Fahrer über den ordnungsgemäßen Hydraulikstand im Bremsflüssigkeitsreservoir.
Schnell waren die restlichen kleinen Handgriffe am Interieur, der Beleuchtung und der Lenkung erledigt. An einem sonnigen Tag im Spätsommer steht das charaktervolle Gefährt schließlich für eine Probefahrt bereit – entsprechend lasse ich mich nicht lange bitten. Die ausladende Fahrertür schwingt ins Schloss und vorfreudig drehe ich den Zündschlüssel. Verheißungsvoll setzt der Starter mit imposanter Geräuschkulisse das achtzylindrige Kraftwerk in Betrieb. Kurz darauf lotse ich den Bristol auf die Landstraße.
Der 408 gewinnt zügig, nicht aber gefährlich schnell an Geschwindigkeit. Selbst ein beherzter Tritt auf das Gaspedal lässt die Magengrube nicht mit meiner Wirbelsäule kollidieren. Erstaunlich, denn das seltene Sportgerät erteilte so manchem Konkurrenten seiner Zeit im Vergleichstest das Nachsehen. Unter dem Blechkleid regiert eindrucksvolle Zurückhaltung, die von großer Klasse zeugt. Kontrolliert steuert mich die nun wieder straffe Lenkung direkt an mein anvisiertes Ziel, eine alte Mühle unweit von meiner Werkstatt entfernt. Es gilt nach verrichteter Arbeit noch ein paar schöne Fotos für die Internetseite von KlassikAuto zu schießen.
Alles lief perfekt, und schon zwei Wochen später unternahmen der Besitzer des Bristol und ich mit meiner Auntie eine gemeinsame Ausfahrt in das Berliner Umland.
Während ich mich in der Werkstatt um die technische Alltagstauglichkeit des Bristol kümmerte, erforschte der Eigentümer unterdessen die Historie seines Schmuckstückes. Thomas Wiggett, von Bristol Car LTD, stöberte hilfsbereit im Archiv der britischen Automobilmanufaktur - mit interessantem Resultat. Ein Blick zurück…
London 1964, Earls Court Motor Show. In dunkel blauem Metallikeffekt lackiert, silbergrau farbigem Dach und arktisch weißem Leder präsentiert sich Chassis- No. 7035 dem interessierten Publikum. Ein Radio mit der Seriennummer H.147521 und zwei stilvolle Lautsprecher als Extra bereichern die luxuriöse Ausstattung. Nach der Schau wird das Fahrzeug am 1. 11.1964 in die Ausstellungsräume der A. Crook Motors Ltd. überführt. Dort wartet es auf seinen ersten Besitzer: Mr. W.E. Norton. Wie lange der automobile Connaisseur den 408 pilotierte ist nicht bekannt, wohl aber, dass er im frühen Dezember 1973 mit der Chassis-No.7035 die offizielle Reparaturabteilung der Automobilmanufaktur in Filton zum einzigen dokumentierten Service ansteuerte. Anschließend verliert sich seine Spur.
Noch mehr über diesen Bristol 408 MK II erfahren Sie hier: http://www.klassikauto-berlin.de/2012/12/gruse-aus-filton . Lesen Sie wie alles begann und unternehmen Sie mit Auto Bild eine Reise in die wundersame Welt von Bristol.
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Ich bin einfach sprachlos! Bristolspass auch im Winter…2014: 50 Jahre BOC (Bristol Owners Club)…und ein Treffen auf Schloss Dijck Classic Days am 3.8 – 4.8.2014. Auszug aus dem Dezember Newsletter des BOC: “We are planning to join the fun with a Bristol entry and invite all members (and friends, Anm. des Verfassers) to come along and show off their cars during the event.More to come soon…”