KlassikAuto Berlin

Geschichten aus einer Oldtimergarage und dem historischen Motorsport



Grüße aus Filton

von M.Pohle am 9. Dezember 2012

Sie kleiden sich gerne im  maßgeschneiderten Tweed-Sakko, passend dazu mit klassischen Fahrerhandschuhen? Sie schätzen Exklusivität, üben dennoch gerne Zurückhaltung? Ledersessel, Wollteppich und edles Wurzelholz, umgeben von einem Hauch Sportlichkeit, sind Ihre Schwäche? Ihre Ohren lassen sich gerne vom Brabbeln eines V8 betören?
Dann könnte ein Bristol 408 das passende Fortbewegungsmittel für Ihre nächste Oldtimer-Landpartie sein.

Bristol 408: Konserative Sportlichkeit

Nach einer zweijährigen Renovierung der Karosserie in einem ausländischen Fachbetrieb und ersten kleineren Ausfahrten im schönen Frühherbst, findet sich im trüben November 2012 in meiner Werkstatt ein äußerst seltener Bristol 408 von 1964 ein. Die bevorstehende Winterzeit soll genutzt werden, um kleinere Reparaturen an der Technik, der Elektrik und dem Interieur der englischen Sportlimousine durchzuführen. Damit ich ausreichend mit Ersatzteilen versorgt bin, steuerte der Eigentümer eine Woche zuvor mit dem »Gentleman-Briten«  noch schnell die werkseigene Reparaturwerkstatt in London an. So gut ausgestattet, konnte es nun losgehen.

Bevor es an die Arbeit ging, lies ich mich zuvor  jedoch in den Bann des seltenen Engländers ziehen.
Begleiten Sie mich auf Entdeckungsreise…

Mit einem satten Klang fällt die Tür ins Schloss. Ich versinke im weichen, cognacfarbenen Ledergestühl. Der dicke Wollteppich, samtene Himmelstoff und die 48 Jahre alten Dämmmaterialien entfalten ihre ganz persönliche Duftnote.  Es riecht wie es in alten Autos riechen muss: Ein wenig staubig, trotzdem angenehm, eben oldtimer-like.
Liebevoll gestaltete Details verwöhnen meine Augen, feinstes Wurzelholz die Sinne.
Die gute Stube des Bristol vermittelt Behaglichkeit und urbritische Clubatmosphäre. Hier fühle ich mich wohl, hier lasse ich mich gerne nieder. Nur ein exquisites Ablagetäfelchen für meine Pfefferminzplättchen und die Barling-Pfeife vermisse ich. Schade.

Tastenfeld: Fahrspaß auf Knopfdruck

Ein Dreh des Zündschlüssels entschädigt postwendend. Acht Zylinder des bulligen Motors produzieren wohltuenden Ohrenschmaus. Die Sinfonie des 5,2-Liter Chrysleraggregats klingt dabei eher melodiös zurückhaltend als rebellisch aufbrausend. Britisch eben. Doch schon nach einem Druck auf die unkonventionell im Armaturenbrett integrierte Tastenschaltung des Automatikgetriebes verliert der Bristol sein gutes Benehmen. Unbändig zerren 250 BHP am Antriebsstrang. So kraftvoll, dass 1964 in einem Vergleichstest in England ein Ferrari 250 GT 2+2 über die Viertelmeile das Nachsehen hatte. Tony Crook, Jahrgang 1925, 1946 Mitgründer und heutiger Ehrenpräsident  des Automobilherstellers Bristol, beschreibt die Leistungscharakteristik seiner Fahrzeuge mit den Worten: »Hübsch unauffällig, aber nie zu unterschätzen.«

Nun, ich habe die Möglichkeit, den Wahrheitgehalt dieser Aussage zu überprüfen. Und so steuere ich den vornehmen Insulaner auf die Strasse. Still und leise gleitet der Bristol über den Asphalt. Ich schwimme im zähfließenden Berliner Großstadtverkehr mit. Trotzdem wird schnell klar: Drehmoment und Leistung sind hier ausreichend vorhanden.
Das große Steuerrad mit sportlicher Attitüde verlangt nach einem beherzten Griff, denn die Lenkung  der aluminium-karossierten Limousine ist leider nicht mit einer Servounterstützung ausgestattet. Wofür das in Handarbeit gefertigte Edelautomobil konzipiert wurde, wird klar, nachdem ich endlich die Großstadt hinter mich gelassen und den Briten auf die  Landstraße pilotiert habe – zum kultivierten Reisen. Erhaben gleitet der 408 über die vom Nebel verhangenen brandenburgischen Alleen, spürbar bereit, jederzeit seine Kraftreserven nach einem kräftigen Tritt auf das Gaspedal per Kick-down abzurufen.

Jetzt wird es aber Zeit die Werkstatt anzusteuern, und den Blaumann anzuziehen. Es sind nämlich noch ein paar kleine Reparaturen fällig, denn der Autor von KlassikAuto schraubt noch selbst. Auf den Punkt bringt mich die modifizierte Vierkolben-Scheibenbremsanlage schließlich vor den Toren meiner Werkstatt zum Stehen. Nur eine kleine Besonderheit gibt es am Ende meiner Erkenntnistour noch zu beachten:
Bristol verzichtete auf die übliche Parkstellung im Automatikgetriebe. Seien Sie also vorsichtig, wenn Sie für ein Pint Ihren Pulsbeschleuniger vor dem Pub parken.

Piloten können neidisch werden

Fein umrahmt: Zusatzscheinwerfer im Kühlergrill

Wenn Sie sich nun mehr für Bristol Cars interessieren, schauen Sie mit Auto Bild hinter die Kulissen des vielleicht verrücktesten englischen Herstellers  exklusiver Automobilraritäten.
Den Link zu einem atmosphärisch gelungenen Rundgang durch die wundersame Welt von Bristol finden sie mit freundlicher Genehmigung des renommierten Automagazins hier:

http://www.autobild.de/klassik/artikel/eine-autofabrik-vom-anderen-stern-60293.html

{ 2 Kommentare… lesen Sie unten oder schreiben Sie selbst einen }

st.-foto Dezember 12, 2012 um 20:29

Der interessierte aber der Bristol Marke nicht fachkundige Leser braucht genau einen Blick für die Karrosserie und kann dann durch den beschreibenden Text die Atmosphäre und die Anregung der Sinne im 408 bei der Probefahrt genau spüren: pure British car design and manufacturing.

Bitte weitern Text nach der Übergabe-Probefahrt.

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KlassikAuto-Berlin Dezember 12, 2012 um 23:55

Nun, der Winter ist lang. Es wird sicherlich noch den ein oder anderen verschneiten, frostigen Wintertag geben, an dem es mehr Spass macht, die Seite von KlassikAuto mit Leben zu erfüllen, als in einer kalten Werkstatt den Schraubenschlüssel zu schwingen. Ausreichend Erlebnisgut , Fotomaterial und Ideen sind bereits vorhanden.
The Story of the Bristol 408 will be continued…

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