KlassikAuto Berlin

Geschichten aus einer Oldtimergarage und dem historischen Motorsport



Blut, Schweiß und Tränen -
Kapitel 1: »Heiliges Blech«

von M.Pohle am 5. Juli 2011

Es war im Sommer 1996, als ich mir meinen Rover P4 100, Baujahr 1962, gekauft habe. Zu einer Zeit, in der man die fahrfähigen Exemplare dieser Modellreihe in Deutschland an den Fingern zweier Hände abzählen konnte. Nach anderthalb  jähriger intensiver Suche wurde ich in Hamburg endlich fündig. Davor lagen viele »gefressenene« Kilometer, die ich durch das Land gefahren bin, um mir einige Fahrzeuge anzuschauen, deren Zustandsbeschreibung am Telefon oft mehr versprach, als sie später tatsächlich halten konnte.

Die »feine« englische Art in ihrer Traumgarage

Rover P4 100

Das Objekt meiner Begierde, in der Oldtimerszene liebevoll »Auntie« genannt, trug seine Macken und Fehler offen zur Schau. Die alte Dame war ein ehrliches Auto. Schon beim ersten Besichtigungstermin wurde deutlich, dass in der Zukunft einige Arbeiten an Karosserie und Technik notwendig würden. 
Aber sie erfüllte zwei wichtige Grundvoraussetzungen, die für meinen Kaufentschluss entscheidend waren. Sie besaß eine frische TÜV- Plakette, und es waren keine zwingend notwendigen Schweißarbeiten durchzuführen. 3-2-1, da war sie meins.

In den folgenden zwei Jahren reparierte ich hier und da kleinere technische Defekte, überholte die Vorderachse und lernte ich das Auto im Detail kennen. Vor allem erlag ich dem altmodischen Charme, den dieser wohl englischste aller englischen Saloons versprüht. In dieser Zeit reifte die Entscheidung, mich mit der alten Dame länger zu binden.

Anlässlich des wiederkehrenden Termin zur Hauptuntersuchung stand ich schließlich vor zwei Möglichkeiten: Mit kleineren Improvisationen eine neue Plakette erlangen, oder das Auto komplett zu restaurieren. Ich entschied mich, den Schritt vom Amateur zum Semi-Profi zu vollziehen und Tantchen einer Komplettrevision zu unterziehen.

Nachdem »Auntie« in seine Einzelteile zerlegt und ein Ersatzteilspenderfahrzeug  angeschafft war, begann ich die Restauration mit der fachgerechten Wiederherstellung der Karosserie.

Nun, treten Sie ein, die Werkstatttore sind für Sie geöffnet.

Die Karosserie vom Rover lässt sich vom Rahmen abnehmen. Damit sie während der Arbeiten roll- und transportfähig blieb, konstruierte ich zuerst ein  passendes Gestell.

Eigens angefertigtes Rollgestell, das die Arbeit sehr erleichterte

Rollgestell

Das Blechkleid vom P4 ist im Wesentlichen recht einfach aufgebaut und besitzt nur wenige Hohlräume. Trotzdem ist eine fachgerechte Blechbearbeitung nicht unproblematisch. Es gibt zwar eine Vielzahl von erhältlichen Reparaturblechen durch spezialisierte, englische Ersatzteilhändler, die Qualität lässt jedoch sehr zu wünschen übrig. Mit diversen Spezialmaschinen für den Karosseriebau ausgestattet und durch zwei Seminare für Techniken in der Oldtimerblechbearbeitung in der Karosseriebauakademie in Aachen geschult, fertigte ich 95% der benötigten Bleche aus eigener Hand nach.

Ich begann die Schweißarbeiten mit den Einzelkomponenten des Vorderwagens.

Kotflügel

Der Kotflügel eines P4 besteht aus 7 zusammengeschweißten Einzelteilen. Das vordere Stück, in dem sich die Beleuchtungs- und Signaleinheiten befinden, sowie die seitliche Außenhaut sind werksseitig stumpf geschweißt. Aber gerade an  punktverschweißten, überlappenden Blechen bildet sich oftmals die Ausgangsbasis für Rostbefall. Folglich zerlegte ich die Kotflügel in ihre Einzelteile, sandstrahlte die überlappenden Bereiche und verschweißte sie anschließend wieder. Zum vorbeugenden Rostschutz wurde an der Schweißstelle eine zinnhaltige Schweißpaste verwendet. Anschließend trug ich zusätzlich, verdünnte Rostschutzfarbe am Restspalt der Schweißstelle auf, bis sie auf der Rückseite des überlappenden Blechbereiches wieder herauslief. Das gewährleistet einen langjährigen Korossionsschutz. Beide Kotflügel wurden später sandgestrahlt, spritzverzinkt und aluminiumbeschichtet.

Anekdote: Zuvor war dieser Bereich mit Becks-Bierdosenblech repariert

Signaleinrichtung

Endspitze

Zwei typische Schwachstellen an einem P4-Kotflügel sind die Bereiche um die Signaleinrichtungen, sowie die unteren Abschlüsse am Ende des Kotflügels. In beiden Fällen schweißte ich aus England importierte Reparaturbleche auf Stoß im Autogenschweißverfahren ein. Die Autogen-Naht hat einen handfesten Vorteil.  Im optimalen Fall verschmelzen die Bleche nur durch das verflüssigen der Kanten dauerhaft miteinander. Die entstehende Schweißnaht besteht aus demselben Material wie das eigentliche Blech und  versprödet nicht. Anschließend - den notwendigen Platz vorausgesetzt – lassen sich kleinere Verwerfungen mühelos mit handelsüblichen Ausbeulwerkzeugen glätten.

A-Säule

Ein weiterer Rostherd am Tantchen ist das magische Dreieck – der Bereich, an dem Spritzwand, A-Säule, Kotflügel und Trittbrett aufeinander treffen. Dort befindet sich einer der wenigen Hohlräume am Fahrzeug. Häufig ist der werkseitige Wasserablauf verstopft- mit unangenehmen Folgen.
Durch den recht geringen Fahrzeugwert eines Rover P4 und einem aufwändigen Demontageprozess der vorderen Kotflügel – für eine fachgerechte Instandsetzung aber unabdingbar – wird an dieser Stelle oftmals mit aufgesetzten Reparaturblechen gearbeitet. Zwei Bleche reichen aus, und das Fahrzeug kann mit diesem provisorisch geschweißten Bereich z.B. beim TÜV vorgeführt werden. Der Rostteufel wütet im Inneren jedoch erbarmungslos weiter.

Magisches Dreieck

Die fachgerechte Reparatur dieser Sektion war sehr zeitaufwendig und schwierig. Eine stattliche Anzahl kleiner Blechsegmente sorgte für viel Arbeitsaufwand.  Außerdem musste ein an dieser Stelle  vorhandenes Türscharnier exakt positioniert werden, damit später der passgenaue Einbau der Tür gewährleistet war. Ich entschied mich für  diesem Bereich gegen die Verwendung erhältlicher Reparaturbleche und fertigte alle Blechteile- neun pro Seite- mit eigener Hand nach.

Trittbrettanfertigung

Zuvor jedoch stand die Neuanfertigung der Trittbretter auf dem Programm. Sie sind im Vergleich nicht annähernd so stabil und solide gefertigt wie der Rest der Karosse. Damit sich die Bodenbleche und die A-Säule durch den schweren Vorbau der Spritzwand  nicht während der Arbeiten verzog, schweißte ich zuerst Stützwinkel aus stabilen Eisenprofilen zur Stabilisierung ein. Die Entscheidung lag nahe, die neuen Trittbretter aus verstärktem Blech nachzufertigen. Dabei mussten zwei knifflige Besonderheiten beachtet werden. Zum Ersten verfügt das Trittbrett in der Bereichen der A- und B-Säule über eingearbeitete Vertiefungen, zum Zweiten verläuft die Aussenkante in einem leichten Rundbogen mit einer weiteren Absetzkante, an der  später eine Dichtung für den Türbereich befestigt wird. Eigens angefertigte Stahlformwerkzeuge sorgten dafür, dass sich der Rundbogen unter der Zuhilfenahme von Wärme mit der Brennerflamme leicht und genau in Form treiben lies.

»Splashpanel«

Geschweißtes »Ohr«

Die Ohren an der Spritzwand sind am unteren Abschluss immer vom Rost angegriffen. Zu Beginn der Blecharbeiten hatte ich mich entschlossen, die Karosserie ohne Wenn und Aber in den originalgetreuen Werkszustand zu versetzen. Also baute ich auch diese Blechteile komplett nach.
Glücklicherweise verfüge ich in meiner kleinen Werkstatt auch über eine Punktschweißzange. So konnte ich die einzelnen Blechteile des magischen Dreiecks nach der werksseitig vorgegeben Methode zusammenschweißen. Am Ende erstrahlte dieser Bereich wieder, als hätte Teufelchen Rost nie sein Unwesen verrichtet.

Vom Entwurf...

... zum fertigen Blech

 

Fast immer ist die Abdeckung für die Mechanik des Handbremshebels unterhalb des Bodenbleches am magischen Dreieck zerstört. Selbstverständlich baute ich auch dieses Teil in Eigenregie nach.

Fortsetzung folgt…

{ 2 Kommentare… lesen Sie unten oder schreiben Sie selbst einen }

Hans Georg Hofmann September 22, 2011 um 22:09

Toll, wieviel Mühe sich jemand bei der Blechbearbeitung für ein so recht seltenes Auto gibt. Bin schon auf die Fortsetzung gespannt.

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Ralph Mai 9, 2019 um 19:02

Auch ich finde deinen Bericht klasse. Wann geht er weiter ? Auch wenn ich das alles nicht in Eigenregie hinbekäme, so stehe ich deiner Leistung doch mit Komplimenten gegenüber! Können wir uns mal treffen, um meinen P4 unter deine Lupe zu nehmen ??

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